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Humorglosse Nr. 5 |
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Der verrückte Alte - Prävention durch Humor?Wir werden immer älter. Daher nimmt auch die Anzahl der Menschen mit Demenz zu. Wenn dem so ist, kann man selbst etwas dagegen tun? Kann man die Erkrankung bewusst oder unbewusst- sich erträglicher oder gar fröhlich gestalten? Vielfältige Ratschläge und Leitlinien sowie evidenzbasierte diagnostische und therapeutische Maßnahmen gibt es. Kaum etwas hilft wirklich weiter und wenn, dann nur kurz, was natürlich auch schon ebbes ist. Außer, man wird eben nicht alt. Da selbst nur ein Teil der 90jährigen unter einer Demenz leidet (muss man oder kann man unter ihr leiden?), hält man sich an die Vogel-Strauß-Politik, altert vor sich hin und ein Teil wird dann dement. Der eine wird mürrisch, der andere aggressiv (was immer das heißt), apathisch oder überaktiv. Es gibt aber auch Kranke, die vor sich hinlächeln, heiter in die Runde blicken oder tanzend durch den Raum wandern. Manche grinsen einen an, wenn man eine Frage stellt, sodass der Fragesteller sich nicht sicher sein kann, ob er ernst genommen wird. Was sind schon Fragen? Man muss ja nicht alles beantworten. Auf die Frage, wie alt er wäre, antwortet ein älterer Herr mit einer Demenz: So alt wird kein Hund . Der Frager und der Antworter lachen sich an. Ist es so wichtig, das kalendarische Lebensalter zu wissen, wenn bekannt ist, dass das funktionelle wichtiger ist? Sind Menschen mit Demenz weise? Manchmal hat man schon den Eindruck. Sicherlich ist auch das Milieu entscheidend, wie man eine Demenz lebt. Sind humorvolle Menschen, wenn sie eine Demenz haben fröhlicher? Bleiben Optimisten dann auch optimistisch? Wenn alles Erlernte wie weggeblasen ist, wenn alle mühevoll andressierten Sozialisationsweisen vergessen werden, was ist dann? Kommt dann das bisher mühevoll verborgene Ekel oder der Misanthrop hervor? Ist man dann herrisch, aufbrausend, schreit und schlägt? Meine Mutter hatte immer eine gewählte Aussprache. Jetzt benützt sie die schlimmsten Gassenausdrücke. Ich schäme mich so für sie , äußert eine besorgte Tochter. Eltern schämen sich für ihre Kinder und dann Kinder für ihre Eltern? Sollte man die bekannte Äußerung Sei nett zu deinen Kindern, denn sie suchen dein Altenheim aus ernst nehmen? Es ist doch eigentlich toll, wenn man von einer vornehmen Dame als A... betitelt wird. Endlich kann sie sich so ausdrücken, wie sie es schon immer einmal wollte. Sie ist spontan, etwas, was man doch eigentlich fördern sollte. Denkt man an das Gedicht Es sitzt ein Vogel.. von Wilhelm Busch, so könnte man dies aufgreifen wie z. B.: So denke ich an meinen ersten Arbeitsplatz in der Gerontopsychiatrie. Eine 80jährige kleine Patientin mit schwerer Demenz, die weder stehen noch gehen konnte, geschweige denn sprechen oder irgendetwas anderes, lag in ihrem Bett, meist entspannt und eingerollt. Kam man auf sie zu, sah sie einen etwas erstaunt und leicht irritiert an. Plötzlich lächelte sie verschmitzt und kicherte vor sich hin. Manchmal entwich ihr ein kleiner Wind, den sie mich Kichern begleitete. Dieses wirkte auf die Anwesenden immer ansteckend! Jeder vom Pflegepersonal wollte sie versorgen. Sie war der Liebling der Station. Ihr Wesen steckte an und nach der Pflege war die Mitarbeiterin fröhlich und heiter gestimmt! Heiterkeit: die beste Prävention bei Demenz? Als ich mich zu einer 85-jährigen Patientin mit einer Demenz setze und mich mit ihr unterhalten will, lächelt sie mich freundlich an und meint: Schön, dass Du kommst, ich habe dich schon vermisst . Sie lächelt mich an, auch wenn sie meine Worte und Fragen nicht versteht. Sie bleibt heiter gestimmt und lässt sich auch durch eine unwirsche Bemerkung einer Mitpatientin nicht davon abbringen. Vom Pflegepersonal höre ich, dass sie immer so heiter ist und eine gewisse Gelassenheit ausstrahlt. Sie würden sie gerne pflegen. Einen jetzt 75jährigen Patienten konnte ich mehrere Jahre begleiten. Hatte er erst wenige Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, so nahmen diese im Laufe der Zeit und auch weitere Hirnleistungsstörungen erheblich zu. Als die Diagnose Alzheimer gestellt war und seine Erkrankung noch im Anfangsstadium war, klagte er über merkwürdige Kopfschmerzen. Bei seinem stationären Aufenthalt war er auch in der Humorgruppe (zweimal wöchentlich stattfindende Therapie-Gruppe, primär für alte Menschen mit einer Depression). War etwas komisch, wurde eine Anekdote oder Witz erzählt, war er der erste, der laut und prustend loslachte. Man hatte den Eindruck, die soziale und kognitive Sperre war brüchig oder wurde immer kleiner. Er fühlte quasi die komische Inkongruenz und reagierte ohne Umwege. So spontan zu reagieren ohne Einschaltung des Hirnapparates kann einen auch neidisch machen. Könnte man von diesem Kranken nicht lernen? Jan Wojnar, ein mit Humor ausgestatteter Gerontopsychiater, berichtet, dass er eines Tages eine Patientin überreden wollte, ihre Medikamente zu nehmen. Sie schaden mit Sicherheit nicht. Haben sie kein Vertrauen zu mir? Papperlapapp! antwortete ihm diese. Wenn Sie ein echter Arzt wären, würden Sie kranke Menschen behandeln, anstatt eine gesunde Frau zu belästigen! Ist das närrisch oder versteckte Weisheit? Barbara Romero, der Leiterin des Alzheimer-Zentrums in Bad Aibling stimme ich uneingeschränkt zu, wenn sie meint, dass Menschen mit Demenz unsere Lehrmeister sein können! Man muss nur hinsehen, fühlen und verstehen! Auch Lachen kann man von ihnen lernen! Es ist nicht erstaunlich, dass freundliche fröhliche Menschen, wenn sie Hilfe benötigen, liebevoller, mit Herz und Geduld intensiver gepflegt werden als alte Ekel. Nun könnte man davon ableiten, dass wenn man schon keine Demenz verhindern kann, so doch der Umgang mit einem beeinflusst werden kann. Wie kann ich lernen, meinen Sinn für Humor so zu verinnerlichen, dass, wenn alle kognitiven Stricke reißen oder gerissen sind, ich diesen quasi als Schutz für mich habe. Humor als Schutzmacht vor zu viel, zu wenig oder falscher Pflege und Betreuung. Ich brauche Eselsbrücken , etwas eidetische Vorstellungen, um diese früh genug zu internalisieren. Lebenslange Aufmerksamkeit für Komik, für clowneske Situationen und die Umwandlung von Missgeschicken zu Herausforderungen zur Optimierung des Humors zahlt sich aus! Aus einer Untersuchung geht hervor, dass Menschen mit einer leichten Hirnleistungsstörung, wenn sie diese nicht so tragisch nehmen, erheblich seltener und langsamer eine Demenz bekommen als andere, die jeden Fehler vermeiden wollen, zu korrekt und kontrolliert sind. Gibt es auch noch wenig Untersuchungen hierzu, so könnte es sein, dass zwanghafte, überkorrekte, zu ordentliche und sich keine Fehler verzeihende Menschen eher eine Demenz bekommen und dann vermutlich auch wenig sozial verträglich sind. Sie scheinen sich selbst in der Demenz noch Vorwürfe zu machen, dass sie dement sind. Wer immer schon etwas schusselig war, das Leben und sich selbst nicht zu ernst genommen hat, trotz Schwierigkeiten immer noch eine komische Seite daran gefunden und seinen Sinn für Humor gefördert hat, der dürfte gegen eine Demenz zumindest etwas gewappnet sein. Bekommt er sie dann doch, so kann er getrost darauf bauen, ein fröhlicher närrischer Alter zu sein, dem gerne geholfen wird. Heiterkeit ist ansteckend! Pflege mit Heiterkeit gewürzt hilft allen! Der Sinn für Humor bleibt bei den meisten Kranken noch lange erhalten. Herzhaftes Lachen, das zudem ansteckt, ist keine Seltenheit. Zu beobachten ist, dass durch Humorinterventionen die soziale Atmosphäre sich verbessert. Sinnvoll sind eher nonverbale Humorinterventionen (in Form von Gestik, Mimik, Körperhaltung, Sprachmelodie) einzusetzen und weniger sprachliche. Voraussetzung ist, dass Angehörige und Professionelle über eine gute Portion Humor verfügen und diesen pflegen. Gerade herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz erfordert eine humorvolle Begegnung. Humor ist in Beziehungen eine Trotzmacht gegen Aggression! Wer lacht, dämmert nicht vor sich hin! |
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