Zirkus spielen
Ballreich, Rudi / Lang, Tobias / von Grabowski, Udo (Hrsg.): Zirkus spielen Das Handbuch für Zirkuspädagogik, Artistik und Clownerie
Hirzel-Verlag
Stuttgart
2007
ISBN 978-3-7776-1427-4, 408 Seiten, 75.80 Euro.
Fortwährendes Spiel mit Polaritäten
Die Vorschusslorbeeren des Handbuchs Zirkus spielen sprechen für sich. Der Schweizer Clown Dimitri lobt: Was mir an den Zirkusnummern in diesem Buch besonders gefällt, ist, dass sie weder Wettkampf noch Konkurrenzkampf sind. Sie sind Spiele, dazu da, um das Publikum zu ergötzen, um es zu unterhalten und um es in Staunen zu versetzen über das, was der Mensch alles fertigbringt, wenn er es mit Disziplin und viel Geduld übt.
Der Clown Dimitri weiß, worüber er schreibt. Schließlich hat er es zu Weltruhm mit seiner Clownerie gebracht. So ist es ein Erlebnis, den Spuren des Zirkus spielen zu folgen. Denn die Autorinnen und Autoren wollen möglich machen, was schwierig erscheint. Sie schildern den Weg von der Idee, einen Zirkus ins Leben zu rufen über den Querschnitt in die künstlerischen und kreativen Fähigkeiten bis zur konkreten Umsetzung einer Zirkusaufführung.
Der Blick der Autorinnen und Autoren ist vor allem auf Kinder und Jugendliche gerichtet, die sich mit den Zirkuskünsten beschäftigen wollen. Der pädagogische Wert liege vor allem im Erüben von körperlichen Fähigkeiten. Während man die ausführliche Einführung über den pädagogischen Wert der Zirkuskünste liest, gewinnt man den Eindruck, dass das Einfühlen in die Zirkuspädagogik etwas von Lebensschule hat.
Die Zirkuskünste seien ein fortwährendes Spiel mit Polaritäten und geprägt vom Suchen, Verlieren und Wiederfinden der Mitte. Der Umgang mit der inneren Angst und die Befriedigung der Erlebnisbedürfnisse sei eine zentrale pädagogische Aufgabe. Konkret heißt es weiter, Balance könne man nicht als fertiges Ergebnis festhalten. Diese labile, bewegliche Kraft gehe von der inneren Mitte, unserem Ich aus . Andererseits entstehe diese Mitte erst durch aktive, ausbalancierende Tätigkeit, so heißt es.
Wenn man sich dann auf die Akrobatik und die Handgeschicklichkeiten, die Balance und die verschiedenen Manegekünste einlässt, wird diese Suche nach den eigenen Möglichkeiten und der eigenen Persönlichkeit mehr als deutlich. Wenn Rudi Ballreich über das Spielen und Improvisieren schreibt, geht es insbesondere um die spielerische Beweglichkeit . Wer ausdrucksvoll spielen wolle, müsse das feste Korsett der Haltungs-und Bewegungsgewohnheiten auflockern und beweglich machen. Ballreich geht in seiner inneren Haltung noch weiter: Der gesunde Mensch lebt spielerisch und ausdrucksvoll im ganzen Körper. Der Mensch ist nicht nur ganz Mensch, wenn er spielt, sondern er steht und bewegt sich eigentlich nur dann gesund, wenn es in einer spielerischen Offenheit geschieht.
Das Handbuch Zirkus spielen gehört unverzichtbar neben jede Spielwiese bzw in jedes Zirkuszelt, in dem Zirkuskünste probiert werden. Was es zu einem Schatz macht, sind die inneren Haltungen, die zum Ausdruck kommen und hoffentlich auch vorgelebt werden. Der hohe Preis lohnt sich auf jeden Fall. Und die Vorschusslorbeeren sind nicht unangebracht angesichts der inhaltlichen Fülle des Handbuchs Zirkus spielen , in dem auch der Begründer der Motopädagogik, Jonny Kiphard, den Wert der Zirkusarbeit unterstreicht. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, es lohnt sich.
Von Christoph Müller