Sie sind hier: Startseite » Literatur » Rezensionen

Über praktischen Humor

Thorsten Sindermann

Über praktischen Humor Oder eine Tugend epistemischer Selbstdistanz

Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2009

ISBN 978-3-8260-4016-0

271 Seiten

 

 

Wenn sich Philosophen zum Komischen, zum Lachen und zum Humor äussern, dann kann es für die Leser mühevoll werden. Bei der Lektüre des Philosophen Thorsten Sindermann ist es so. Während der Clown, der den Einband ziert, den Betrachter in den Bann zieht, so sind die inhaltlichen Ausführungen Sindermanns schwere Kost. Denn er schafft es auf den 271 Seiten seiner wissenschaftlichen Arbeit, sich lediglich begrifflich zu betätigen. Nicht eine witzige Bemerkung oder ein Witz begleiten den meist steinigen Weg des interessierten Lesers.

Sindermanns Einsichten bedürfen unbedingt der weiteren Bearbeitung und vor allem der praktischen Orientierung, wenn er beispielsweise schreibt: Deshalb ist Humor und eine Einstellungs-und Perspektivenfrage und deshalb ist er eine Sache des Epistemischen. Humor kann es nur dort geben, wo auch alternative Perspektiven und Einstellungen zur Verfügung stehen und verwirklichbar sind Es muss auf einer jeweiligen Matrix deutlich werden, was es bedeuten kann, wenn Sindermann unterstreicht: Deshalb ist Humor eine Fähigkeit epistemischer Selbstdistanz und deshalb gehört zur Episteme des Humors das situative Moment der Anwendung, und dies ist ein Moment des Wissens um die situativen Ge-, und Begebenheiten und in eins ein Wissen um sich selbst wie und wenn man weniger ernst ist. Und freilich gehört ein Wissen dazu, warum das so ist.

Bei anderen Ansichten Sindermanns wird deutlich, dass eine hohe Reflexionsbereitschaft und Reflexionsfähigkeit des Einzelnen dazugehört. Mit dem Humor schaffe man sich nicht den Humor vom Hals, sondern hänge ihn sich nur passend um. Humor zu haben und ernst zu sein schliesse sich nicht nur nicht aus, sondern es schliesse sich ein und bedinge sich. Mit solchen Sichtweisen verlangt Sindermann nicht nur intellektuell viel von den Lesern. Er verlangt genauso emotional grosse Leistungen von seinen Lesern, wenn seine Sichtweisen angenommen werden sollen.

Methodisch arbeitet Sindermann sauber. Nachdem er begrifflich Ausgrenzungen und Abgrenzungen gewagt hat, macht er sich auf die Entdeckungsreise nach dem Humor als geistige Haltung . Die humorvolle Selbstdistanz ist genauso sein Thema wie der Tugendtauglichkeitstest . Und genau weil er sich theoretisch abarbeitet, fällt es dem Leser schwer, zu einem Freund des Humor oder der Weisheit zu werden. Man kommt allzu schnell in die Gefahr, aufgrund des schweren Zugangs die Einsichten Sindermanns zu randständig zu kennzeichnen.

Humor sei mit der Fähigkeit verbunden, sich im sozialen Kontext zurückzunehmen, zurückzutreten und sich von sich distanzieren zu können in seiner möglichen, sich in den Vordergrund oder Mittelpunkt stellenden Art oder Unart, ist Sindermann überzeugt. Mit dem Philosophen Odo Marquard geht Sindermann sogar noch weiter, wenn er zitiert: Zur Kultur der Einsamkeitsfähigkeit gehört Humor. Durch diesen Leichtsinn, der aus Schwermut kommt, kann man trotzdem leben, nämlich in bekömmlicher Distanz zu sich selber: also auch in Distanz zur eigenen Einsamkeit, etwa durch Vermeidung von Übererwartungen.

Wer Sindermanns Buch Über den Humor in die Hand nimmt, sollte sich bewusst sein, dass er spannende Einsichten gewinnen kann. Dies kostet aber auch den Preis einer mühevollen Lektüre.

Christoph Müller