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Über Humor

Simon Critchley

Über Humor

Verlag Turia + Kant, Wien 2004

ISBN 3-85132-399-8

142 Seiten

 

 

Wer eine Vergewisserung des Verhältnisses von Philosophie und Humor wünscht, der wird an Simon Critchleys Buch Über Humor nicht vorbeilaufen können. Denn es scheint in der Gegenwart das einzige Buch zu sein, das wirklich als philosophische Auseinandersetzung mit dem Humor verstanden werden kann.

Es ist die inhaltliche Gründlichkeit und Nachdenklichkeit, mit der Critchley überzeugen kann. Er wagt philosophische Blicke auf das Lächeln und das Lachen, auf den Witz, die Ironie und die Komik, auf die Narrheit und den Humor. Dabei lässt er es nicht daran vermissen, unbequeme Wahrheiten zu formulieren. So können in Critchleys Augen Witze als Symptome gesellschaftlicher Verdrängung gelesen werden, und ihr Studium läuft auf eine Wiederkehr des Verdrängten hinaus . Anders gesagt, der Humor kann uns zeigen, dass wir Personen sind, die wir, offen gesagt lieber nicht wären , schreibt Critchley wörtlich.

Critchleys Denkweise lässt an anderer Stelle in gleicher Weise aufhorchen. Wenn das Lachen die Narrheit der Welt sehen lasse, damit wir uns an ihrer Stelle eine bessere Welt vorstellen, und die Situation, in der wir uns befinden, verändern, dann habe ich keinen Einspruch gegen die religiöse Interpretation des Humors . Witze wären darum wie gemeinsame Gebete, so Critchley. So sieht Critchley die Nähe des Humors zur Philosophie in ausdrücklicher Weise. Witze seien Ausdruck einer abstrakten Beziehung zur Welt. Und die große Tugend des Humors bestehe darin, dass er Philosophie in Aktion ist, ein strahlender Silberfaden im grossen Federbett der Existenz sei.

Dieses Buch erscheint schwierig zu besprechen. Dies ist nicht nur so, weil die Gedankenwelt Critchley als eigenwillig erscheint. Er stellt komplex seine Ideen vor, wagt Rückgriffe auf die Psychologie und Soziologie, die Psychotherapie und die Medizin. Sein philosophischer Ansatz führt an die Wurzeln des Denkens zurück. Denn Critchleys Überlegungen nehmen unter anderem die Metaphysik zu Hilfe.

Das Außergewöhnliche am Humor sei, dass er zum gesunden Menschenverstand zurückbringe, indem er uns von diesem distanziert durch seine kleinen Strategien der Verfremdung mit einer gemeinsamen Welt vertraut. Das Selbstvertrauen könne also verändert werden, wenn wir zu lachen lernen . Wenn Critchley den Humor als Antidepressivum beschreibt, macht er Bemerkungen, die jeder medizinisch-therapeutisch Arbeitende bedenken sollte. Der Humor besitze dieselbe formale Struktur wie die Depression, aber er sei ein Antidepressivum, welches dadurch funktioniere, dass das Ich sich selbst lächerlich finde.

Kurzum: ein kluges Buch.

Christoph Müller, Weißenthurm