Tränen lachen
Irrwege, Umwege, Abwege
Regula Stucki: Tränen lachen - Erlebnisse eines Spitalclowns, Buchverlag Lokwort, Bern 2016, ISBN 978-3-906806-09-9, 120 Seiten, 18 Euro.
Ja, es ist so. Der Funke springt über, wenn Regula Stucki von der Arbeit als Spital-Clown erzählt. In ihrem Buch "Tränen lachen" gelingt es ihr, an ihren Erfahrungen als "Dr. Tralala" teilhaben zu lassen. Sie beschreibt gleichzeitig die Grundhaltungen, die sie beim Gang auf Kinderstationen in einem Krankenhaus oder bei älteren Menschen in einem Pflegheim begleiten. Apropos Begleitung: als Leserin oder Leser geht man Seite an Seite mit ihr an die Pflegebetten und lässt sich faszinieren von der Kreativität der Clownin und der Ansprechbarkeit der Menschen auf der anderen Seite.
"Mit ihnen erlebe ich im Spital und in anderen Institutionen seit vielen Jahre ganz wunderbare und unvergessliche Momente. Sie haben mich viel über das Leben und die Kraft des Lachens gelehrt", schreibt Stucki (S.6). Sie lässt Bilder wach werden, die Menschen nicht in erster Linie mit einem Dasein im Krankenhaus und einem Leben im Pflegeheim verbinden. Der Leser oder die Leserin kann nicht nur bei der lebendigen Arbeit einer Spital-Clownin dabei sein. Er oder sie kann auch quasi mit einer Film-Kamera die Szenen verfolgen.
Ein Lächeln taucht auf, wenn Stucki eine Stellenausschreibung vorstellt, in der nach einem Clown / einer Clownin gesucht wird. Dieses Lächeln taucht sicher im Rahmen einer Spiegelung auf. Denn die Enge einer Stellenausschreibung passt sicher nur bedingt zur künstlerischen Freiheit und den spielerischen Fertigkeiten einer Klinik-Clownin. Die formale Strukturiertheit passt sicher auch nicht zu den Umwegen und Irrwegen eines Lebensweges, wie Stucki sie nachzeichnet.
Mit diesen Abwegen passt "Dr. Tralala" auf jeden Fall zu den Menschen, für die sie eigentlich da ist. Menschen, die in der Krise sind, gehen selber nicht die geraden Wege. Stucki macht als "Dr. Tralala" aus der Not eine Tugend. Sie stellt fest: "Tralala kennt kein Schema und versteht auch kaum etwas von Krankheiten. Sie besitzt lediglich ihre Unbekümmertheit, ihre Neugierde und eine Prise gesunden Menschenverstand. Eine gute Voraussetzung für immer wieder neue Ideen." (S. 29)
An der einen oder anderen Stelle wird deutlich, dass zur Freude, die der Spital-Clown in eine Institution bringt, auch Melancholie gehört. Die Polarität des menschlichen Alltags ist für Stucki genauso selbstverständlich wie der Perspektivenwechsel zwischen der realen Persönlichkeit Regula und der Figur "Dr. Tralala". Diese Tiefgründigkeit macht die Lektüre zu einem persönlichen Gewinn.
Stucki rührt die Leserin und den Leser an - über die gut 120 Seiten. Dies ist in der Authentizität begründet, die spürbar wird. "Wir sind keine Übermenschen und auch in unserer Funktion als aufheiternde Clowns sehr berührbar." (S. 73) Es wundert nicht. Schließlich schreibt Stucki über Begriffe wie Atmosphäre und Stimmung. Technisches und Methodisches haben bei ihr nur wenig oder gar keinen Platz.
Das Buch "Tränen lachen" zeigt nicht nur durch den stetigen Wechsel von Erlebnisberichten und Nachdenklichkeiten zum eigenen Clownin-Dasein eine inhaltliche Fülle. Es lässt aus dem Abenteuer Clownerie ein Faszinosum werden. Danke "Dr. Tralala"!
Christoph Müller