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Satire, Kunst und Karneval

Das Lachen bleibt manchmal im Halse stecken
 
Jacques Tilly: Satire, Kunst und Karneval, Droste Buchverlag, Düsseldorf 2015, ISBN 978-3770015658, 208 Seiten, 29.99 Euro.
Der Karneval ist für manchen humoristischen Anschlag gut. Der Künstler und Wagenbauer Jacques Tilly ist von einer besonderen Klasse, wenn es um die Bissigkeit des Humors geht. Denn wer seine Pappmache-Wagen für den Rosenmontagszug in Düsseldorf anschaut, der kann einiges erwarten. Das Buch Satire, Kunst und Karneval zeigt unzählige Motive aus den vergangenen Jahren, mit denen es Jacques Tilly bis in die Tagesschau der ARD und die heute-Nachrichten des ZDF geschafft hat.
Sein Ziel ist jedoch die Auseinandersetzung mit den Botschaften seiner Wagen, die man so schnell nicht vergisst. Können Sie sich vorstellen, dass Sie Osama bin Laden beim Sitzen in der Badewanne zuschauen, die bis an den oberen Rand mit Blut gefüllt ist ? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie der russische Präsident Putin einen Zungenkuss mit einem orthodoxen Patriarchen austauscht, während beide ihre Abneigung gegenüber Homosexuellen zum Ausdruck bringen ? Glauben Sie, dass an der Seite eines Sessels, auf dem ein katholischer Prälat mit einem Jungen auf dem Schoß sitzt, steht: Bei uns ist jeden Tag Weltjugendtag ?
Das Lachen bleibt dem Betrachter manchmal im Halse stecken. Nichtsdestotrotz braucht es Menschen wie Jacques Tilly, die auf den Punkt hin zuspitzen können. Denn seine Wagen machen inzwischen den Reiz des Düsseldorfer Rosenmontagszugs aus. Es stellt sich die Frage (und wer kennt sie nicht ?), was Satire darf. Mit dem Blick auf Tillys Rosenmontagszüge muss man die Frage im altbekannten Sinne beantworten: Satire darf alles ...
Für Tilly haben Hetze und Verleumdung nichts mit Satire zu tun. Dies wird in den Bildern seiner Rosenmontagswagen genauso klar wie in den begleitenden Texten Düsseldorfer Zeitungsjournalisten. Für ihn hat seine Form der Satire etwas mit dem Begriff der Freiheit zu tun. Bei dem Nachdenken über No-Gos in der Satire wird Tillys Sicht deutlich: Ethisch-moralische Fragen bewegen den Satiriker, aber noch mehr, als hier falsch zu liegen oder über das Ziel hinauszuschießen, fürchtet er sich vor fehlender Wirkung. (32)
Der Düsseldorfer Schriftsteller Jens Prüss sieht Tilly in seinem Aufsatz Kampf der Narren in Düsseldorfs satirischer Tradition. Für den auswärtigen Menschen scheint dies unbedeutend. Doch in der Heimat Heinrich Heines hat dies eine große Bedeutung.
Jacques Tilly ist auch derjenige, der die Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Hinterteil von Uncle Sam hat aussteigen lassen. Niemand scheint sicher vor dem Zorn Jacques Tillys. Dies geht für Tilly so weit, dass die Morde und Morddrohungen in Dänemark, die aufgrund islamkritischer Karikaturen geschehen sind, auch im Düsseldorfer Rosenmontagszug ihre Spuren auf den Rosenmontagswagen hinterlassen haben.
Jacques Tilly erinnert seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, dass mit dem gegenwärtigen Relativismus kein Staat zu machen ist. Die politische Stellungnahme gehört für ihn zum Leben wie das Atmen und das Blut. Vielleicht sollten wir uns an ihm ein Beispiel nehmen.
 
Christoph Müller