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Meister des grossen Humors

Josef Rattner / Gerhard Danzer

Meister des grossen Humors Entwürfe zu einer heiteren Lebens-und Weltanschauung

Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2008

ISBN 978-3-8260-3863-1

317 Seiten

 

 

Bei der Behandlung seelisch kranker Menschen bedarf man eines Gesundheitsbegriffs. Unseres Erachtens ist eine zentrale Ingredienz davon die Stimmung von Freude und Heiterkeit, die bei physischen und psychischen Störungen oft genug abhanden kommt. Um möglichst viele Dimensionen dieser höchst wünschbaren menschlichen Eigenschaften auszuloten, haben wir Leben und Werk grosser Humoristen untersucht.

Gelungen ist den psychosomatisch arbeitenden Psychotherapeuten dieses Vorhaben. Mit den Blicken auf Erasmus von Rotterdam und Cervantes, auf Karl Kraus und George Bernhard Shaw bekommt der Leser Einblick in das was der dänische Philosoph Harald Höffding den grossen Humor nannte, nämlich jene Weltanschauung, die uns das Dasein mit seinen Härten und Unzuträglichkeiten ertragen lehrt . Auch andere kritische Bemerkungen dokumentieren Rattner und Danzer, wenn sie meinen, Menschen hätten seit jeher alles, was der Flexibilität und inneren Lebendigkeit des Lebensvorgangs widerspricht, als anstößig empfunden . Dabei machen sie sehr deutlich, dass sie keine großartigen Absichten mit ihrem Humor-Buch haben: Wir wenden uns vielmehr der Frage zu, wie das Humoristische im Alltagsleben präsentiert und auf welchen seelischen Fundamenten es ruht Wir gehen davon aus, dass der Humor in Charakter, Lebensgefühl, Gesinnung und Weltanschauung des Menschen verankert ist.

So sehen Rattner und Danzer in der Literatur eines George Bernhard Shaw die Überwindung der Tragik durch Humor . Oder in den Werken eines Anton Tschechow sehen sie den Humor als individuelle und kollektive Emanzipation . In den Büchern eines Jonathan Swift sehen sie Humor, Genialität und Zwangscharakter Arm in Arm. Mit dem Augenmerk auf Karl Kraus und Die letzten Tage der Menschheit schlussfolgern Rattner und Danzer, Humor müsse nicht unbedingt mit einer friedfertigen Gesinnung verbunden sein. Der grosse Satiriker sei zugleich ein gewaltiger Kämpfer vor dem Herrn gewesen, welcher die Kultur-und Menschlichkeitsdefizite seiner Epoche in keiner Weise zu tolerieren gewillt sei.

Was bei der Lektüre des Buchs Meister des grossen Humors deutlich wird, ist die Tatsache, dass Rattner und Danzer offenbar nicht nur Freude an Heiterkeit und Humor haben, sondern Menschen sind, die mit guter Literatur zu begeistern sind. Dass ein Aufklärungsbegriff auch eine Menge mit Scharfsinn zu tun hat, machen Rattner und Danzer an der Beschäftigung mit Lessing und Voltaire deutlich. Wenn sie beispielsweise bei Voltaire den Humor aus dem Geiste der Aufklärung sehen, stellen sie gleichzeitig fest, die essenziellen Quellen des Humors benötigten einen emotionalen Hintergrund. Wörtlich: Intellektualität genügt nicht, sie muss verankert sein in einer Menschlichkeit, die trotz allen scharfsinnigen Bewusstseins von Unvernunft und Kleinkariertheit in der Menschenwelt die Liebe zur geschundenen Kreatur aufrecht zu erhalten weiss.

Christoph Müller