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Lachen

Karl-Josef Kuschel

 

Lachen - Gottes und der Menschen Kunst

 

Attempto-Verlag, Tübingen 1998

 

ISBN 3-89308-294-8

 

208 Seiten, 19,90 Euro

 

 

 

Karl-Josef Kuschel gehört zu jenen Menschen, die sich für den Dialog der Theologie mit Anderen einsetzen. Kuschel lehrt nicht nur Theologie der Kulturen und des interreligiösen Dialogs an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Er ist einer jener Gelehrten, die den Spuren des Religiösen in der Literatur folgen wollen. Deshalb hat es sich offenbar angeboten, dass er sich mit den Spuren des Lachens in der Literatur und der Theologie auseinandergesetzt hat. So hat Kuschel eine vernachlässigte Seite der theologischen Auseinandersetzung beleuchtet.

Kuschel hat Bemerkenswertes geschrieben. So ist Kuschel der Überzeugung, dass eine Theologie der Freude nichts als naive Wirklichkeitsverdrängung wäre, wenn sie nicht mit einer Theologie des Leidens kritisch vermittelt wäre. Die Theodizeefrage bleibe die ständige Anfechtung einer christlichen Freude. Kuschels Worte sind für den gläubigen Christen an manchen Stellen eine Herausforderung. Beispiel: "In der Nachfolge Christi wird auch der Christ zum Narren, weil sein Glaube aus der Perspektive der Nichtglaubenden gesehen etwas "Unmögliches", "Komisches", "Anstoßerregendes" hat." Kuschel geht sogar so weit und spricht von einer Dialektik von Weisheit und Narrheit. Weil Gott in Christus selber zu den Verlachten gehörten, würden Christen die Partei der Verlachten und Verspotteten um Gottes Willen ihre Würde und ihr Recht zurückgeben.

Die Welt als Spielmaterial

Kuschel bewegt sich jedoch nicht nur in theologischen Höhen. Vielmehr wirft er einen Blick auf philosophische Fragen, wie "Platon und die Entrüstung über das Lachen" oder "Aristoteles und die erlaubte Funktion des Lachens". Biblische und kirchenhistorische Auseinandersetzungen um das Lachen sind sein Thema. So berichtet er von den Lachenden als den Gottfernen oder das abgründige Lachen Gottes im Kontext der Hiob-Erfahrungen. Kuschel schaut auf die neutestamentlichen Zeugnisse und stellt den Gekreuzigten als Narren dar. Spannend erscheint die Äusserung in der Kontroverse um den Begriff der Postmoderne: "Wenn die Poetik der Postmoderne eine Poetik des Spiels, der Maskerade und Ironie hoch zwei ist, des Vergnügens und des Amüsements, dann entspricht dieser Poetik eine Ästhetik des Lachens: des Lachens darüber, dass man frei ist von allen Verbindlichkeiten, Werten und Normen, dass man über allem steht und die Welt als das eigene Spielmaterial betrachtet."

Beim Durchgang durch das christliche Mittelalter meint Kuschel eine Kultur des Lachens erkannt zu haben. Mit dem Rückgriff auf den Literaturwissenschaftler Michail Bachtin erinnert er an den Begriff des karnevalistischen Weltempfindens. Darunter sei die Bereitschaft zu verstehen, jeglichen Sinn immer wieder in Frage zu stellen, spirituelle Weltlosigkeit mit der Betonung des Materiell-Sinnlichen und Derb-Körperlichen zu konterkarieren. Wörtlich: "Im Karnevalistisch-Grotesken habe sich das Volk Freiräume geschaffen gegen politische und kirchliche Vergegensetzlichung."

Solchem Denken haben sich möglicherweise auch Literaten verhaftet gesehen. So unterstellt Kuschel dem Schriftsteller Kurt Tucholsky, er lasse keine Gelegenheit aus, "seine komödiantischen Talente zu zeigen, seine Lust am parodistischen Spass auszuleben und mit den Traditionen zu spielen wie ein Kind mit den Knochen eines Skeletts. Und doch ist ...das Spiel von einer Abgründigkeit, dass dem Leser das Lachen im Halse stecken bleibt."

Fazit: Eine Studie, von denen Kirche und Theologie noch mehr verdient haben. Die Dialektik von Lachen und Leiden müsste in eine produktive Auseinandersetzung von kirchlicher Binnenperspektive und Auseinandersetzung mit der Welt münden.

Christoph Müller, Walsrode