Lachen Weinen
Volkmar Ellmauthaler
Lachen Weinen. Versuch über ein angeborenes psychosomatisches Regulativ
edition L Wien 2012
ISBN 978-3-902245-03-8
195 Seiten
Man könnte meinen, es sei eine Selbstverständlichkeit. Doch was der Wiener Medizinpsychologe Volkmar Ellmauthaler mit seinem Buch "Lachen Weinen" geschafft hat, ist einem Lückenschluss gleichzusetzen. Auf den Punkt bringt Ellmauthaler es selber: "Der entscheidende Schritt, Lachen-Weinen als ein angeborenes, also tatsächlich konstitutives, neuroendokrines Regulativ [ ] zu sehen, findet sich in der [ ] damals zugänglichen wissenschaftlichen Literatur nicht dargestellt." (9) Auch wenn seine Forschungsarbeit schon 1989 stattgefunden hat, so hat er es nach mehr als zwei Jahrzehnten auf den Buchmarkt gegeben.
"Lachen - Weinen" ist eine anspruchsvolle Arbeit, die Volkmar Ellmauthaler geschrieben hat. Die intellektuelle Herausforderung liegt darin verborgen, dass seinem Buch eine wirkliche Interdisziplinarität zuzuschreiben ist. Sie ist so beabsichtigt, wie auch gekonnt in die Tat umgesetzt. Verbleiben wir bei seinen Arbeitshypothesen: "Lachen und Weinen ist Manifestation psychosomatischer Entität." (23) Ja, es scheint ein Wechselspiel zu geben zwischen Körper und Seele, das auch das Lachen-Weinen zeigt. Es ist so konstitutiv, dass es zum Sein einfach dazugehört. Eindrücklich dokumentiert Ellmauthaler diese Interaktion in einer ersten Grundlegung, nicht ohne zu hinterfragen, OB Psyche und Soma etwa nur ein Denkmodell darstellten, also ein Trennung künstlich, für das vorläufige Verstehen, vorgenommen werde.
Dass Ellmauthaler das Dasein in einem solchen Spannungsverhältnis versteht, ist schon eine erfrischende Botschaft des Buches "Lachen - Weinen". Es gibt nicht nur die Freude, nein, es gibt auch die Melancholie. Es gibt nicht nur die actio. Damit das Leben vollständig ist, muss es auch die reactio, die contemplatio, geben. Das Buch "Lachen - Weinen" führt zu dieser Wahrheit, indem es eine wirkliche Grundlagenforschung wagt, die sich einer kurzfristigen Wissenschaftlichkeit entzieht.
"Lachen - Weinen ist ein zentraler Stabilisierungsfaktor der Befindlichkeit", formuliert Ellmauthaler in seiner zweiten Hypothese. Dies wird eindrücklich unterstrichen, wenn Ellmauthaler das "Lachen-Weinen" als Orgasmus-Äquivalent beschreibt. Einerseits schreibt Ellmauthaler: " ... die Veränderungen während des Orgasmus zeigen Wirkungen wie die oben beschriebenen, [ ] ähnlich wie in Trance. Während des Orgasmus ist die Umgebungswahrnehmung reduziert ..." In der Fortsetzung unterstreicht er mit Hilfe medizinischer Daten die le petit-mort-Erlebnisse. An anderer Stelle heißt es: "[ ] so konnte klargelegt werden, dass es sich dabei um Körperfunktionen von offenbar besonderer Wichtigkeit [...] handeln muß. Wenn Lachen-Weinen [...] eine spannungslösende Wirkung zeigen (wie ja auch der Orgasmus sexuelle Spannungen umsetzt) [...], ist der Schluß zulässig, dass der Mangel an Lachen-Weinen (bzw. deren chronische Frustration), also eine physische und psychische Inhibition dieser Vorgänge, den betreffenden Menschen eines wesentlichen Stabilisierungsfaktors beraubt." (95 [65])
Lachen Weinen ist in den Augen Ellmauthalers ein konstitutiver, spannungslösender Zustand wie der Orgasmus. Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, dass an dieser Stelle etwas tabuisiert gehört. Sich diesem Denkverbot zu beugen, würde Ellmauthalers Denken zutiefst widersprechen. Schließlich ist er der Überzeugung, dass Lachen-Weinen angeboren sei. Lachen-Weinen erscheint konstitutiv, einfach zum Leben, daher sowohl dem Körper wie der Seele wie allen Sozialkontakten zugehörig.
In dieser Schlichtheit liegt der Reiz von Volkmar Ellmauthalers Buch "Lachen-Weinen" verborgen. Mit seinem tiefgründigen medizinischen, psychologischen und philosophischen Wissen arbeitet er das Lachen-Weinen exakt auf. Mehrere Qualitäten machen diese Arbeit zu einer Grundlagenarbeit, die seither oft genutzt wurde. Die Tatsache, dass er bald 25 Jahre nach den Forschungen erst seine Arbeit veröffentlicht, liegt in den Nutzungsbedingungen für die zahlreichen Fotos. Aber es mag auch ein Hinweis dafür sein, dass die Wissenschaft sich mit Grundlagenforschung schwer tut, obwohl sie allzu notwendig erscheint. Ellmauthalers "Lachen-Weinen" könnte ein beharrlicher Ausgangspunkt für weitere Forschung und vor allem für die Anwendung dieses Phänomens sein (siehe auch das Vorwort zum Buch).
Christoph Müller