Lachen gegen die Ohnmacht
"Psychogramm eines Volkes"
Bodo Müller: Lachen gegen die Ohnmacht - DDR-Witze im Visier der Stasi, Ch. Links Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86153-914-8, 140 Seiten, 10 Euro.
Im sozialistischen Deutschland hat es nichts zu lachen gegeben. Dieser Überzeugung ist man als Geschichtsinteressierter, wenn man sich die Gefängnisse der Staatssicherheit oder andere Reste der DDR anschaut. Der Journalist Bodo Müller hat sich für das Buch "Lachen gegen die Ohnmacht" die Subkultur eines diktatorischen Staates angeschaut. So macht Geschichtsschreibung Spaß, denkt man sich, während man sich kurzweilig und politisch interessiert durch das kleine Buch arbeitet.
"Die Pfeilspitzen der Satire richteten sich gegen alle Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens - insbesondere aber gegen die herrschende SED und deren Politiker sowie gegen die Moskauer Machthaber, die im Hintergrund die Fäden zogen", so schreibt Bodo Müller. Er erinnert konkret an viele Witze, die Ulbricht, Honecker und die politische Klasse verulkten. Noch mehr: Müller zeigt auf, wie gefährlich der Witz und der Humor in der DDR gewesen sind.
Denn dem gewöhnlichen Staatsbürger ist es kaum möglich gewesen, beim Feierabendbier in der Eckkneipe seiner Heiterkeit freien Lauf zu lassen. Die Gefahr, dass unter den Trinkgeschwistern ein Stasi-Spitzel sein konnte, ist zu groß gewesen, um der Geschwätzigkeit freien Lauf zu lassen. Es mag noch schlimmer gewesen sein. In Schreibheften hat man sich während der sozialistischen Diktatur keine Witze dokumentieren können. Stasi-Spione hätten sie bei Hausdurchsuchungen entdecken können, was auf jeden Fall zu Inhaftierungen hätte führen können.
Bodo Müller gibt Antworten auf viele Fragen: " Wie dachte und lachte das Volk über die von Moskau eingesetzten Machthaber zwischen Elbe und Oder? Waren die politischen Witze der Machtlosen eine satirischen Antwort auf ihre Ohnmacht? Wurde politische Satire als Ventil akzeptiert?" Irgendwie ist Bodo Müllers Buch "Lachen gegen die Ohnmacht" ein Psychogramm eines Volkes, das sich allzu häufig der Macht der politisch verantwortlichen beugen mussten. Es spiegelt mit dem nötigen Augenzwinkern, was in den Herzen und Seelen vieler DDR-Bürger vor sich gegangen sein mag.
Politische Bildung einmal heiter, dies könnte man über Bodo Müllers Buch auch sagen. Es ist alles andere als trockene Historienschreibung. So traurig manches zu lesen ist, so lebendig zeigt sich die Erinnerung an die Zeiten des sozialistischen Deutschlands. Es geht halt auch anders.
"Was bedeuten die Farben und Symbole der DDR - Flagge? Schwarz war der Tag, als die Roten kamen und uns goldene Ähren versprachen und wir zirkeln mussten, dass wir nicht unter den Hammer kamen." (S.100)
"Wer ist der größte Chirurg der Welt? Walter Ulbricht. Er hat aus dem Herzen Europas den Arsch der Welt gemacht." (S.54)
Christoph Müller