Kleine Geistesgeschichte des Lachens
Friedemann Richert
Kleine Geistesgeschichte des Lachens
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009
ISBN 978-3-534-21620-8
173 Seiten
Was die Kleine Geistesgeschichte des Lachens aus der Feder des Theologen Friedemann Richert leistet, ist ein doppelter Verdienst. Einerseits gewinnt der Leser Freude an der ernsthaften Beschäftigung mit dem Lachen, andererseits wächst die Begeisterung an der Auseinandersetzung mit einem humanistischen Bildungsideal. Denn der gelernte Pfarrer Richert sucht mit der Unterstützung des Phänomens Lachen nach den Spuren abendländischer Wurzeln. Und es gelingt ihm. Denn statt sich in geistiger Ferne zu verlieren, sucht Richert das Verstehen des Phänomens Lachen in seiner jeweiligen Gegenwart.
Der Leitbegriff der kleinen Geistesgeschichte des Lachens ist die lachende Vernunft . Wer immer über den Menschen nachdenke, werde ihm nur dann gerecht werden können, wenn er dessen Lachen mit in den Blick nehme, meint Richert. Richert: Im Lachen übersteigt der Mensch für einen Augenblick sozusagen sich selbst und findet sich in einer anderen Ordnung des Denkens und Begreifens vor. Lachen führt den Menschen somit an die Grenzen seiner Vernunft und Welterschliessung. Richert geht in seinen Gedankenspielen auch weiter, wenn er behauptet, des Menschen Vernunft suche in allen Lebenssituationen immer nach dem darin liegenden Sinn. Im Lachen erlebe man den eigentümlichen Wechsel zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und der ebenfalls eigenen reflexiven Fremdwahrnehmung unserer selbst bzw. der jeweiligen Situation.
Wie es sich für den humanistisch Gebildeten gehört, beginnt Richert seine Erkundungen beim Lachen in der Antike und schaut, welche Impulse von griechischen und römischen Vordenkern hinsichtlich des Lachens ausgegangen sind. Daran schliesst sich die Bibel und das Lachen an. Sich in die Tradition des Alten Testamentes stellend, erinnert Richert an einen lachenden Gott. Sein befreiendes Lachen sei Attribut seiner göttlichen Lebendigkeit, die den Gläubigen als zeitenthobene wirksame Lebenskraft in das erlösende Lachen stellen will .
Während Richert im Kapitel Das Lachen im Mönchtum an das Lachverbot in zahlreichen Mönchsregeln erinnert, so sendet Richert in gleicher Weise eine positive Botschaft im Kapitel Das Lachen in der Reformationszeit . Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus und vor allem Martin Luther erheben ihr feinsinniges Wort für die Wiederentdeckung des schönwendigen Lachens als Ausdruck eines gebildeten Menschen . Luther habe beispielsweise über die töricht-erhellende Narrenrede auch mit Ironie und beißendem Spott die theologischen Gegner angegriffen. Luthers Humor sei auch Ausdruck eines befreit christlichen Lebens in lebensbejahender Weltzugewandtheit . Im Kapitel Das Lachen als philosophische Wegweisung begegnet der Leser den neuzeitlichen Denkern und damit auch einer gewissen Schlichtheit, wenn er resümiert: Insgesamt mag das Fehlen des schönwendigen Lachens darin begründet sein, dass sowohl Kant als auch Nietzsche gewissermaßen ein traditionsfreies neues Denken vorlegen wollten .
Es macht Spass, das Buch Kleine Geistesgeschichte des Lachens in die Hand zu nehmen. Selbst wenn der Titel aufs erste abschreckt, so wird einem die Furcht schnell genommen. Richert hat mehr als eine Kleine Geistesgeschichte des Lachens geschrieben, sondern vielmehr eine beeindruckende Freude-Botschaft.
Christoph Müller