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Heil Hitler, das Schwein ist tot!

Rudolph Herzog

Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler Komik und Humor im Dritten Reich

Eichborn-Verlag, Berlin 2007

ISBN 3-8218-0773-3

240 Seiten

 

 

In diesem Buch scheint es um zwei Themen zu gehen, die sich wie Feuer und Öl zu vertragen scheinen. Gab es in der Zeit des Nationalsozialismus etwas zu lachen? Wer sich mit Rudolph Herzog auf die Spurensuche macht, wird erfahren, dass selbst in der Diktatur das Lachen nicht im Halse stecken bleiben muss.

Es ist natürlich so gewesen, dass selbst Humor und Komik durch die Nationalsozialisten gleichgeschaltet werden sollte, indem vom Führer genehmigte Hitlerkarikaturen zusammen-gestellt wurden oder regimekritische Komiker durch harmlose Spaßmacher ersetzt wurden. Von Seiten der Gegner Hitlers und der Bevölkerung gab es Witze erst als respektlose Antwort auf die neuen Herrenmenschen, dann als geflüsterten Kommentar zu Gleichschaltung, Arisierung und Pogromen und am Ende als zynischen Abgesang auf ein verbrecherisches Regime , schreiben die Verlagsleute schon in der Presseankündigung.

Wer in medias res geht, der findet beispielsweise den politischen Witz zwischen Kritik und Fatalismus . So erzählt Herzog von regimekritischen Witzen deutscher und jüdischer Herkunft und stellt fest: Während der politische Flüsterwitz vor allem ein Ventil für die aufgestaute Frustration der Bevölkerung bot, kann man den jüdischen Witz als eine Form des Sich Mutmachens interpretieren ... In ihm wird der täglich erfahrene Schrecken aufgearbeitet. So spricht selbst aus dem schwärzesten jüdischen Humor immer noch ein trotziger Wille, als wolle der Witze-Erzähler sagen: Ich lache, also lebe ich. Ich stehe zwar mit dem Rücken zur Wand, meinen Humor werde ich aber nicht verlieren.

Für den geschichtsbewussten Spätgeborenen ist eine Äußerung eine ausdrückliche Versachlichung historisch-politischer Diskussionen, die am Beispiel des Humors und des Witzes getroffen wird. Das Dritte Reich sei nicht so monolithisch gewesen, wies es sich in den Wochenschauen gegeben habe. Die NS-Gesellschaft sei so heterogen geblieben, geprägt von sehr unterschiedlichen Interessen, Frustrationen, Sorgen und Ängsten, die sich im Humor der Zeit niederschlugen .

Bei der Lektüre des Buchs Heil Hitler, das Schwein ist tot! wird schnell deutlich, dass die Machtvollen in einer Gesellschaft immer auch zur Zielscheibe des Spotts würden. Der Kaiser, Diktator, Zampano, der aus luftiger Höhe herrscht und sich dabei auf allerlei hehre Grundsätze stützt, hat eine enorme Fallhöhe aufgebaut ... Wenn eine zu große Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit besteht, dann hat der Machthaber die Latte zu hoch gelegt und dem Humor Tür und Tor geöffnet. So wird aus dem gottgleichen Kaiser der Geck mit der zweifelhaften Abstammung und aus dem Volkstribun ein Greis mit Adlernase.

Dabei ist das Witze erzählen im Dritten Reich nicht so gefährlich gewesen, wie man es möglicherweise erwartet hätte. Wann war das Lachen tödlich? ist eine unumgängliche Frage, die in der historischen Aufarbeitung des Humors im Nationalsozialismus sich stellt. Herzog findet eine deutliche Antwort. Nicht das Erzählen eines politischen Witzes an sich habe einen in Lebensgefahr gebracht, sondern diese bestand in der Regel nur dann, wenn die Nationalsozialisten nach einem Vorwand suchten, einen missliebigen Zeitgenossen kaltzustellen. Nicht das Delikt an sich war ausschlaggebend, sondern das Bild, das sich die Behörden davon machten, wie ein denunzierter Witze-Erzähler zu Nationalsozialismus insgesamt stand .

Das Buch Heil Hitler, das Schwein ist tot! wirft einmal einen anderen Blick auf die dunkle Zeit des Nationalsozialismus nicht weniger kritisch und nicht weniger nachdenklich stimmend. Auf diese Weise mag man sich der NS-zeit auch mal nähern.

Christoph Müller, Andernach