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Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind!

Noni Höfner

Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind! Grundlagen und Fallbeispiele des Provokativen Stils

Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2011

ISBN 978-3-89670-773-4

268 Seiten

 

 

Wenn es stimmt, dass ein entscheidendes Moment in der psychotherapeutischen Arbeit die Beziehung zwischen dem Berater und dem Klient ist, dann ist das Buch Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind aus der Feder von Noni Höfner ein Muss im Regal eines jeden Psychotherapeuten. Denn Höfners Buch Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind eröffnet Perspektiven in der psychotherapeutischen Arbeit. Und dies geschieht auf Augenhöhe.

Dabei lässt Höfner, die man problemlos als führenden Kopf in der Provokativen Therapie im deutschsprachigen Raum bezeichnen kann, nicht vermissen, die entscheidenden Dinge beim Namen zu nennen. Bei der provokativen Vorgehensweise kommt der Persönlichkeit des Beraters eine noch zentralere Rolle zu als in jedem anderen Verfahren. Der Berater ist nicht der allwissende Außenstehende, sondern wird Teil des ablaufenden Prozesses . Und das trägt dazu bei, dass diese Vorgehensweise so wirksam ist.

Gerade im Kapitel, in dem es um die Persönlichkeit des Beraters geht, versucht Höfner dem interessierten Leser die Angst vor dem provokativen Arbeiten zu nehmen. Schließlich gehe es nicht darum, dem Klienten zu zeigen, was für ein kreativer, ungewöhnlicher, erleuchteter und kluger Berater man ist . Das führt nur zu sehr unergiebigen Machtkämpfen zwischen Berater und Klient. Das Ziel ist vielmehr, den Mitspieler, in diesem Fall den Klienten zu inspirieren, so dass dieser seine eigenen Kräfte für die Problemlösung entfalten kann .

Wenn Höfner die provokativen Werkzeuge erklärt, wird lebendig, was in der beratenden Praxis als Leitmaxime gelten muss. Ihr ist vor allem für die Einsicht zu danken, dass man viele konventionelle Wege verlassen sollte, um erfolgreich beratend und psychotherapeutisch arbeiten zu können. Und man kommt zu der Einsicht, dass die nötige Kreativität das Erfolgsrezept für das provokative Arbeiten ist. Höfner schreibt: Jedem Berater, der kreativ arbeitet, fallen laufend neue Interventionsmöglichkeiten ein, das liegt in der Natur dieser Arbeitsweise. Sie steigen auf wie Luftblasen in einem Whirlpool und machen die Arbeit auch für einen langjährig arbeitenden alten Hasen immer wieder zu einem Vergnügen . Die kreativen Hirnareale von Berater und Klient arbeiten ungebremst und ohne Anstrengung auf Hochtouren, was für den jeweiligen Besitzer dieses Gehirns äußerst anregend und motivierend ist.

Und es sind Meilensteine, die Höfner passiert, um dem Leser zu verinnerlichen, wie gewinnbringend das provokative Arbeiten sein kann. Rationale Einsichten alleine bewirken in einer Psychotherapie nichts konstruktive Veränderungen kommen nur zustande, wenn Gefühle verändert werden. Der Provokative Stil wendet sich direkt an die Gefühlswelt und kitzelt sie Selbstverantwortung des Klienten heraus. Mit diesen einfachen Worten macht Höfner verständlich, was vom Beratenden und vom Klienten erwartet werden muss, lässt man sich auf die provokative Arbeit ein.

Höfner verdeutlicht auch, dass man in der provokativen Arbeit über so manchen Schatten springen muss. Eine zuweilen drastische Ausdrucksweise sei gewöhnungsbedürftig, erklärt Höfner. Wenn man aber in das System des Klienten einsteigen möchte, baue eine gesäuberte, akademische Sprache eine Barriere zur Gefühlswelt des Klienten auf und zwinge ihn förmlich in den rationalen Modus. Ein solches Denken wird für viele Zeitgenossen eine grosse Anpassungsleistung abverlangen.

Sie rät beispielswiese dazu, mit Aussagen statt Fragen zur Diagnose zu kommen. Begründung: Das Aussprechen des Offensichtlichen und des Verdeckten hat, neben der Herstellung des guten Drahts, einen weiteren Vorteil: Es verkürzt die Zeit, die in der Regel für diagnostische Fragen aufgeworfen wird. Aus der Reaktion des Klienten auf unsere Aussagen und Unterstellungen bekommt man viele Informationen, aus denen sich viele andere Rückschlüsse ziehen lassen. Ich nenne dies Aktivdiagnose .

Das Buch Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind gibt entscheidende Impulse zur Gestaltung psychotherapeutischen Arbeitens in der Gegenwart. Sie hat Aufmerksamkeit und Nachahmung verdient.

Christoph Müller