Führungsfaktor Humor
Thomas Holtbernd
Führungsfaktor Humor Wie Sie und Ihr Unternehmen davon profitieren können
Redline Wirtschaft bei Ueberreuter, Frankfurt am Main 2003
ISBN 3-8323-0963-2
240 Seiten, 24,90 Euro
Seinem Anspruch, den Thomas Holtbernd in seinem Vorwort formuliert, wird der Theologe und Psychologe in jedem Fall gerecht. Ziel des Buches sei es, den Humor fernab jeder neuen Trainingsmethode und Erfolgsstrategie als notwendigen Teil des persönlichen Stils und der Unternehmenskultur zu beschreiben. Mit der Transformation der "Philosophie der Lebenskunst" des Wilhelm Schmid in die Humorarbeit schafft er insbesondere die Leistung, den Humor als Haltung zu verstehen. Deutlich wird dies im Kontext der Thematisierung der Unternehmenskultur. Humor sei das Resultat von Leichtigkeit, die nicht mit Gleichgültigkeit oder Oberflächlichkeit gleichzusetzen sei. Humor könne man als die säkularisierte Form der Busse bezeichnen. Eine humorvolle Bemerkung wirke auf den Kunden wie eine Befreiung von einem Schuldgefühl. Eine ernste Haltung fördere das Gefühl, er habe etwas falsch gemacht, glaubt Holtbernd.
Überhaupt durchzieht eine optimistische Grundhaltung das Buch von Thomas Holtbernd. Holtbernd setzt zwei Fragestellungen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Der Brückenschlag vom Humor zur Organisation ist eine Baustelle. Was Holtbernd auszeichnet, ist das Querdenken. Den Narr in einem Unternehmen sieht er als "Projektionsfläche für das Nichtgelungene, für das Unvollständige, das Missgeschick und das Defizitäre" an. Holtbernd: "Manager, die eine Witzkultur fördern, ermöglichen den Mitarbeitern, ihr eigenes Scheitern zu bewältigen. Unternehmen, die einen Hofnarren haben, gewähren den Mitarbeitern ein bewusstes Verdrängen oder die Öffnung für Verrücktheiten."
In der Beschäftigung mit dem Verhältnis von Kundenorientierung und Freundlichkeit schreibt der Autor, das Herstellen einer Vertrauensbasis sei Grundlage für ein Gespräch. Die Dramaturgie eines Humor-Gesprächs ringe um das Bemühen, eine Win-win-Situation zu erzeugen. Da Gewinner lächelten, könne man dies bei Win-win-Ergebnissen gemeinsam tun. Lächeln werde in diesen Gesprächen weniger durch witzige Bemerkungen erzeugt. Vielmehr sei Lächeln Ausdruck einer positiven Stimmung und Siegerhaltung.
Zu Veränderungen in Organisationen äussert Holtbernd, was immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden muss. "Jeder Changeprozess ist von Komik durchzogen", schreibt er. Veränderungen macht es notwendig, Regeln zu verletzen. Altbewährte Rezepte oder Vorgehensweisen würden aufgebrochen. Wörtlich: "Aus der Perspektive der neuen Regeln wirkt ... das alte Verhalten komisch ... Wenn bestimmte Regeln ironisiert oder humorvoll karikiert werden, fällt es leichter, alte Muster aufzugeben ... Veränderungen können ... eher dort angepackt werden, wo man nicht dogmatisch an Regeln klebt ... Wo Witz verboten wird, entsteht Widerstand gegen jeden neuen Vorschlag und die Mitarbeiter werden veränderungsresistent."
Scheinbar setzt sich Holtbernd dafür ein, sich als Person nicht so wichtig zu nehmen. Die Fähigkeit zum humorvollen Relativieren der eigenen Verhaltensweisen setze voraus, "dass ein gewisses Maß an Selbstvertrauen, Einsicht, Toleranz und Reife vorhanden ist". Ein Mensch, der sich seines Wertes bewusst sei, könne über sich lachen. "Damit kann dieser Mensch mehr Ehrlichkeit riskieren und zu einem glaubwürdigen Verhalten gelangen", meint Holtbernd. An der Stelle, an der Holtbernd das Verhältnis von Qualitätsmanagement und Humor zur Sprache bringt, vermeidet er, den Humor als eigentliches Qualitätsmerkmal zu kennzeichnen.
Beachtung verdient Holtbernds Ansatz, "Humor als Lebenskunst" zu verstehen. Mit diesem Rückgriff auf die "Philosophie der Lebenskunst" von Wilhelm Schmid versucht Holtbernd Perspektiven anzubieten. Beispielsweise ist der Autor überzeugt, dass Unternehmen, in denen Humor herrsche, das Risiko eingingen, "dass dieser Humor Gewohnheiten, Privilegien und gewachsenen Strukturen durch seinen anarchischen Charakter antastet". Der Mensch könne sich entweder der Unübersichtlichkeit stellen oder er suche nach einem geschlossenen System, das er glauben könne. Lebenskunst sei eine Antwort auf die moderne Komplexität, unterstreicht Holtbernd. Die Sinnfrage müsse nicht gestellt werden, sondern eine Erklärung gefunden werden, "wie ich meine Kugel in den Händen halte. Das ist ganz praktische Lebenskunst ... Humor befreit vom Druck des richtigen Tuns" Eine Fehlerkultur in einem Unternehmen zeige sich in der Bereitschaft, Feste zu feiern getreu dem Motto: "Unsere Missgeschicke und Flops, über die wir lachen können."
Kennzeichen von Lebenskunst sei, das Wesentliche verständlich zu machen. Deshalb schlägt Holtbernd das humorvolle Zusammenfassen von Teambesprechungen vor. Da Wilhelm Schmid die Lebenskunst als "Reflexion des eigenen Lebens und die Bejahung des eigenen Lebens" definiert hat und der Organisationsberater Thomas Holtbernd glaubt, dass dies ohne Humor und Lebensfreude nicht denkbar sei, verdient Holtbernds "Führungsfaktor Humor" große Beachtung. Der "Führungsfaktor Humor" gibt Orientierung, sich in einem schwierigen Tätigkeitsfeld selber zu befähigen.
Christoph Müller, Walsrode