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Deutsche und Humor

Jakob Hein / Jürgen Witte

Deutsche und Humor Geschichte einer Feindschaft

Galiani-Verlag Berlin 2013

ISBN 978-3-86971-076-1

162 Seiten

 

 

Der Blick auf den Umschlag des Buchs Deutsche und Humor offenbart, worum es auf den mehr als 160 Seiten geht. Dies ist üblich. Dass die Orientierungslosigkeit offenbar wird, die sich auch während der Lektüre zeigt, ist selten. Denn es stellt sich die Frage, ob die Geschichte einer Feindschaft beschrieben werden soll oder ob das Verständnis von Humor in Kunst und Literatur erläutert werden soll. Sprich, es werden unterschiedliche Erwartungen geweckt. Dies ist schade. Schließlich hat das Buch Deutsche und Humor eigentlich doch einiges zu sagen.

Zum Beispiel stellen Hein und Witte fest, dass humorvolle Autoren im deutschsprachigen Raum stiefmütterlich behandelt werden. Für jeden noch so wirren Tagebuchband über den Tod Ihres Großonkels bekommen Sie mehr Preise als für zehn humorvolle Bücher. Robert Gernhardt haben sie erst dann Preise gegeben, als er aufhörte, komische Gedichte zu schreiben Heinz Erhardt gilt hierzulande nicht einmal als Schriftsteller! Meine Güte, wenn Sie in Deutschland einen Literaturpreis wollen, dann ist eine SS-Mitgliedschaft weniger hinderlich als ein humorvolles Buch , schreiben Hein und Witte (21 / 22). Natürlich klingt dies nach hartem Tobak. Es wäre gelungener Auftakt, um das Verhältnis der Deutschen zum Humor zu beschreiben.

Irgendwie haben Witte und Hein diese Gelegenheit verstreichen lassen, die regionalen Feinheiten des Humors in Deutschland zu untersuchen. Sie gönnen es weder sich, noch den Lesern, dem von ihnen unterstellten Fehlverhältnisses der Deutschen zum Humor Genüge zu tun. Dabei haben sie doch so manche Botschaft zu verkünden, die einem tiefsinnigeren Nachdenken bedarf. Humor sei die Wurzel der Intelligenz, der Sieg des Intellekts über die rohen Kräfte der Natur, schreiben sie. Sie notieren auch: Humor ist die bewusste Hinwendung des Geistes zu den Fesseln der Realität. (33)

Wenn man solche Sätze liest, erscheint eine philosophische Hinwendung zum Humor unausweichlich. Natürlich suchen sie den Weg zu Literatur, Kunst und Ästhetik. Doch geht im Verlaufe der Lektüre des Buchs Deutsche und Humor die Aufmerksamkeit verloren, die nach der besonderen Beziehung eines Volkes zum Lustigen schaut. Hätten Sie dem Buch einen Titel gegeben, der das Schöne und Geistige beinhaltet, dann hätten Sie wirklich keine falschen Hoffnungen keimen lassen.

Ein entspannter Umgang mit Humor setze ein hohes Maß an Souveränität voraus, konstatieren Hein und Witte. Wer solche Sätze schreibt, denkt natürlich mit, dass der Mensch als solcher ein Grübler sein kann und der Selbstreflexion eine große Bedeutung zumisst. Es hätte sicherlich Sinn gemacht, diesen Satz an Eigenheiten eines regionalen Humors abzuarbeiten oder an Persönlichkeiten zu exemplifizieren, die für deutschen Humor stehen. Denken wir in diesem Zusammenhang einmal an Loriot oder Helge Schneider, so ist es kennzeichnend, dass manche Satiriker und Humoristen einen Tiefgang verdient haben, den Witte und Hein nicht erwähnen.

Während sich komische Menschen auf die Situation verlassen, diese häufig unterlaufen und vielleicht auch verändern, verkleiden sich humorlose Menschen, setzen sich die Maske des Witzes auf und spielen Humor , geben sie zum Ende mit auf den Weg (140 / 141). Beispielhaft steht diese Aussage dafür, dass Hein und Witte einiges zu sagen haben. Vielleicht können sie dies in einem anderen Buch zum Humor gelingender zum Ausdruck bringen.

Christoph Müller