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der Witz muss Vehikel einer Botschaft bleiben

der Witz muss Vehikel einer Botschaft bleiben...
Fachzeitschrift diskutiert Verhältnis Humor und Persönlichkeitsstörungen
 
Humor in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen? heißt es lapidar auf dem Umschlag der Fachzeitschrift Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie , die im Schattauer-Verlag erscheint. Doch wer persönlichkeitsgestörte Menschen jemals begleitet hat, der weiss um die Brisanz, die in dieser inhaltlichen Auseinandersetzung steckt. Dass dieses Thema vorsichtig angegangen werden muss, macht das Heft 3 / 2011 der Fachzeitschrift Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie deutlich.
Auch wenn die Psychiaterin Barbara Wild sich nur sehr grundsätzlich zum Verhältnis psychiatrischer Krankheiten zum Humor äussert, so deckt sie zumindest auf, was psychiatrische Forschung in der Bestimmung des Verhältnisses zum Humor noch zu erarbeiten. Wild stellt nochmals heraus, dass es keine Untersuchungen geben, die den Effekt von Psychotherapie auf die Humorfunktionen sowie die Effekte von Antidepressiva und Neuroleptika auf die Wahrnehmung von Humorstimuli beschreiben. Ein anderes Defizit in der Forschung beschreibt sie: Ebenso wenig existieren bisher bildgebende Studien zu der Frage, ob Menschen mit psychischen Störungen z.B. Witze zerebral anders verarbeiten.
Das Verhältnis von Tabu, Humor und Psychotherapie diskutiert der Psychiater Hartmut Kraft in seinem nachdenklichen Beitrag. Was sich in der Zusammenfassung seines Aufsatzes auf die Formel Tabus sichern Identität Tabubrüche ermöglichen ggf. eine Weiterentwicklung zusammenfassen lässt, seziert er auf eine eindrucksvolle Weise in einem spannenden Text. Er streicht in diesem Kontext eindrucksvoll heraus, wie entscheidend das Wechselspiel von Therapeut und Klient in der psychotherapeutischen Behandlung ist. Wörtlich: Für uns als Therapeuten gilt es, eigene Tabus zu erkennen. Anderenfalls machen wir es unseren Patienten unmöglich, über ihre korrespondierenden Tabus zu sprechen.
Wenn die Psychologin Christa Diegelmann sich mit dem Humor als Ressource beschäftigt, variiert sie ein vielbesprochenes Thema in der Beschäftigung mit dem therapeutischen Humor. Diegelmann unterstreicht aber auch, wie wichtig es erscheint, dieses Thema aber auch immer wieder anzusprechen. Konkret: Humor als Ressource hat viele Facetten. Humor-Ressourcen sind kultur-und geschlechtsspezifisch, fördern die kognitive und emotionale Flexibilität und haben das Potential, Neugier zu wecken und ungewohnte Perspektiven und Erfahrungswelten zu erschließen und sogar das Leben zu verlängern . Selbst wenn Sie dann trotzdem früher sterben, ist es ja auch ganz gut, wenn sie bis dahin ein glückliches Leben hatten.
Zum Spannungsfeld Narzissmus und Humor äussert sich der Mediziner Willy Herbold. Dieser Aufsatz präsentiert sich als Spurensuche und Beschreibung eines spannungsreichen Miteinanders. In einer gründlichen Schau auf die Selbst-Psychologie Kohuts schlussfolgert Herbold, die Fähigkeit zum Humor sei die Leistung eines gut integrierten Selbst. In ihr komme das Vermögen zum Ausdruck, die narzisstischen Bedürfnisse auf eine reife Weise zufriedenzustellen . Pragmatisch und praxisnah liest sich Egon Fabians Aufsatz Humor in der Borderline-Therapie . Von enormer Wichtigkeit erscheint seine Aussage: Auch beim Erzählen eines Witzes darf der Therapeut nicht vergessen, dass er Therapeut ist. Also geht es nie um den Witz per se, sondern immer nur mit einem therapeutischen Hintergrund; der Witz muss Vehikel einer Botschaft bleiben .
Letztendlich kann das Themenheft der Fachzeitschrift Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie keine schlüssige Antwort auf die anfänglich gestellte Frage geben. Doch gibt es den Blick auf Spannungsfelder frei, die noch der weiteren Bearbeitung bedürfen.

Bezug
Das Heft 3 / 2011 der Fachzeitschrift Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie , das sich mit der Frage Humor in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen?
auseinandergesetzt hat, ist zum Preis von 32 Euro als Einzelheft beim Schattauer-Verlag oder im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-7945-2724-3).