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Das Lachen im Mittelalter

Jacques Le Goff

Das Lachen im Mittelalter

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004

ISBN 978-3-608-94274-3

128 Seiten

 

 

Den historischen Dimensionen des Lachens und des Humors wird eher selten nachgespürt. Umso verdienstvoller wirkt es, dass der französische Fachgelehrte für das Mittelalter Jacques Le Goff sich auf die Spuren des Lachens im Mittelalter gemacht hat. Le Goff schafft es in der ihm eigenen Weise, den interessierten Leser in den Bann zu ziehen. Vor allem gelingt es dem Mediävisten, den Blick auf das Mittelalter weniger düster erscheinen zu lassen, als er sonst häufig erscheint. Es ist quasi ein heiterer Blick auf gesellschaftliche Zustände, den Le Goff zugesteht. Während der Lektüre hat man häufiger den Eindruck, dass sich nicht viel geändert hat an der Sichtweise über den Humor.

Die Kirche spielt eine grosse Rolle in der Beschäftigung mit dem Lachen im Mittelalter. Vergleichbar mit anderen Fragestellungen muss Le Goff in diesem Kontext eher kritische Anmerkungen wagen. Mit dem Blick auf klösterliches Leben stellt Le Goff fest: Alles in allem präsentierte sich das Lachen zusammen mit dem Müßiggang als die zweite große Bedrohung des Mönchs; in den verschiedenen Kloosterordnungen des Hochmittelalters weist die Einfügung eines Lachverbots in das Kapitel, das sich mit der einen oder anderen Mönchstugend beschäftigt und dem Ordensbruder dieses oder jenes Verhalten vorschrieb, sowohl auf einen gewissen Spielraum als auch auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung hin. In den ersten Mönchsregeln aus dem 5. Jahrhundert sei das Lachen im Kapitel über das Schweigen erwähnt worden und hätte die schlimmste und unanständigste Form gegolten, das Schweigen zu brechen.

Die Zuweisung des Lachens zum Bereich der niederen Beschäftigungen ist ein Relikt des Mittelalters. Lachen beschmutzte das kostbarste aller Güter, die dem Menschen innewohnen, das Wort Gottes, das durch Gelächter erniedrigt würde , schreibt Le Goff. Eine Sicht, mit der Mönche sicherlich in besonderer Weise gekämpft haben. Jene Mönche, die in den joca monachorum abgebildet seien. Zu diesen Menschen schreibt Le Goff: Der Mönch als Inbegriff des weltflüchtigen, weinenden Menschen (homo lugens) zeigte manchmal auch das heitere Gesicht des homo risibilis, also des Menschen, der im Unterschied zu allen anderen Lebewesen zu lachen vermag.

Der Herausgeber des kleinen Bandes Lachen im Mittelalter , Rolf Michael Schneider, wagt auch ein Plädoyer für eine Geschichte des Lachens . Noch immer täten sich viele Historiker schwer, das Lachen als einen Forschungsgegenstand ihrer Disziplin anzuerkennen und es in seiner historischen Funktion ernst zu nehmen: als äußerst sensible Membran des sozialen und kulturellen Verhaltens einer Gesellschaft. Schneider erinnert in Anlehnung an die Ideen Le Goffs an das Osterlachen, das zentrale Elemente der christlichen Lehre verbinde: die frohe Botschaft des Osterfests; das österliche Lachen der Gläubigen als Ausdruck ihrer Freude und Befreiung; die sexuelle Lust, die als körperlicher Überfluss des Menschen auf die reine Freude und Liebe Gottes zurückgeht und gerade am Osterfest darauf lachend verweist.

Schneider macht eine entscheidende Feststellung, die das Buch Lachen im Mittelalter zu einer gewinnbringenden Lektüre macht und den eigentlichen Wert unterstreicht: Die Einstellungen und Bewertungen über das Lachen sind besonders sensible Indikatoren für jede historisch ausgerichtete Analyse einer Gesellschaft ... Auch über das Mittelalter hinaus ist Lachen ein zentrales Element in der Kommunikation zwischen Menschen. Das Buch Lachen im Mittelalter ist Vermächtnis und Auftrag, über die geschichtliche Bedeutung des Lachens in der Gegenwart nachzudenken.

Christoph Müller, Weißenthurm