Das Humor-Buch
Meilenstein am Wegesrande einer psychosozialen Bewegung
Können Sie sich vorstellen, weit mehr als 400 Seiten über das Lachen, den Humor und die Heiterkeit zu lesen und dabei den Spaß nicht zu verlieren? Wenn Sie Das Humor-Buch des Gerontopsychiaters Rolf Dieter Hirsch in die Hand nehmen, dann werden Sie dieses einzigartige Erlebnis haben. Hirsch verbindet wissenschaftliche Tiefgründigkeit mit einer großen Freude am Erzählen und Erklären. Das Entscheidende: Hirsch gelingt es, den Humor und die Heiterkeit als eine Haltung vorzustellen.
Während das Buch Therapeutischer Humor von Michael Titze und Christof Eschenröder in den 1990er Jahren als ein Startblock für eine Auseinandersetzung mit dem Lachen und dem Humor bezeichnet werden kann, so kann Hirschs Grundlagenwerk als Meilenstein am Wegesrande einer psychosozialen Bewegung verstanden werden. Er setzt hier und dort Massstäbe und hält die Leserinnen und Leser beispielsweise wissenschaftlich auf dem Laufenden. Er schreibt über viele Erfahrungen und Erlebnisse in psychosozialen Handlungsfeldern und hält auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Leserin und des Lesers wach.
Mehr noch: Humor hält Hirsch für die Kunst des Perspektivenwechsels . Hirsch stellt viele Überlegungen zum Begriff des Spiels an. Das Spielen eröffne dem Menschen eine eigene Welt, die von der realen Welt abgegrenzt ist und in der sich ungeahnte individuelle und auch gruppenbezogene Entfaltungsmöglichkeiten bieten (S. 31). Im Spiel könne gefahrlos Heiterkeit und Tragik, Weinen und Lachen geübt werden (S. 31).
Auf den ersten Blick haben die Leserin und der Leser den Eindruck, dass Hirsch Altbekanntes auf eine neue Weise zusammengeschrieben hat. Doch schnell wird deutlich, dass der Gerontopsychiater dem Humor, dem Lachen und der Heiterkeit ein neues Outfit geben will. Unter anderem spürt Hirsch der Frage nach, ob Humor ein effektives Pharmakon sein kann. Als es um die psychotherapeutische Praxis geht, stellt Hirsch fest: Humor ist der kreativste Weg, Paradoxa zu vereinen und zu integrieren und trotz Hilflosigkeit neue Aspekte zu sehen, trotz Depression einen Überlebensweg zu finden und trotz Zorn Aggression humorvoll zu gestalten (S. 341).
Hirsch begleitet die Leserin und den Leser bei dem einen oder anderen Blick auf das eine oder andere humorvolle Phänomen bei somatischen oder seelischen Erkrankungen. Wie wichtig Humor bei der Behandlung von Erkrankungen ist, dies betont Hirsch bei seinen Nachdenklichkeiten zur Ethik. Hirsch schreibt beispielsweise, dass eine Ethik ohne Humor an Grundsatzfanatiker denken lasse, die abgeklärte moralische Forderungen und Grundsätze aufstellten, sie aber kaum mit Leben füllen (S. 393).
Sich mit dem Lachen, dem Humor und der Heiterkeit zu beschäftigen, dies fordert von denjenigen, die sich auf die Expedition machen, viel Energie. Mühe nehmen auch diejenigen auf sich, die im psychosozialen Aktionsfeld das Lachen, den Humor und die Heiterkeit platzieren wollen. Hirsch zeigt auf den mehr als 400 Seiten, wie lohnenswert dieses Unterfangen ist. Seiner Ermunterung kann sich die Leserin und der Leser kaum entziehen. Die meisten Alltäglichkeiten vertrügen Lachen, Humor und Heiterkeit, unterstreicht Hirsch schließlich auch. Das Auf-den-Kopf-Stellen gelinge auch im Kopf und könne das Humornetz reizen (S. 148).
Der Gerontopsychiater Hirsch hat ein ebenso populäres wie wissenschaftliches Werk geschrieben, das in der Gegenwart Zeichen setzt. Insofern ist zu hoffen, dass es in psychosozialen Handlungsfeldern eine möglichst große Verbreitung findet.
Rolf Dieter Hirsch: Das Humor-Buch Die Kunst des Perspektivenwechsels in Theorie und Praxis, Schattauer-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-608-43261-9, 441 Seiten, 50 Euro.