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Wenn Dir ein Clown ins Leben tanzt

Brausepulver auf der Zunge

Von Christoph Müller

Es ist ein Wirken im Verborgenen, das die Klinikclowns auszeichnet. Sie kommen im Stillen in Krankenhäusern, Wohnheime und Hospize, sorgen recht kurzzeitig für ein kurzzeitiges Spektakel und räumen anschließend wieder die Bühne frei. Dabei ist jede(r), der sie in Aktion erlebt hat, beglückt, will sie gar nicht missen.

Dieser Optimismus durchzieht das Buch "Wenn Dir ein Clown ins Leben tanzt", das Aktive aus der Humor-und Clown-Bewegung Österreichs auf die Beine gestellt haben. So kurzweilig das Clown-Spiel im Krankenhaus ist, so bewegend ist auch das Buch. Frauen und Männer aus der Humor-und Clown-Praxis im Gesundheitswesen berichten von der oft mühevollen, meist segensreichen Arbeit mit der roten Nase.

Einerseits finden sich die grundlegenden Beiträge von bekannten Persönlichkeiten aus Psychiatrie und Psychotherapie. Der Suchtexperte Michael Musalek, im persönlichen Leben ein sehr heiterer Mensch, beschäftigt sich mit dem Humor in der Begegnung mit abhängigkeitserkrankten Menschen. Er schreibt: "Letztendlich geht es um Ernst und Unernst und um deren virtuoses Wechselspiel. Menschen, die dazu fähig sind, sind jene, die wir als humorvoll ansehen und die dann auch ein freudvolles Leben führen können" (S. 85). In der Therapie habe man sich einiges vorgenommen. Humorvolle Menschen, Ernst im Unernst, das spielerische Moment im Desaster - dies seien Ziele, die nicht leicht zu erreichen seien.

Der Gerontopsychiater Rolf Dieter Hirsch, der als einer der Motoren des therapeutischen Humors im deutschsprachigen Raum angesehen werden kann, bringt wieder einmal die Idee ins Gespräch, dass es doch Humor auf Rezept geben könne. Humor sei für die Gestaltung eines angstfreien sinnvollen Lebens eine so wichtige Aufgabe, dass sie nicht ernst genug genommen werden könne (S. 71). Ein Erkennen von humorvollen Interventionen sei abhängig von der emotionalen Reife und der geistigen Aufnahme-und Verarbeitungsfähigkeit der Beteiligten (S. 63).

Einen Gedanken in diese Richtung formuliert die Psychiaterin Barbara Wild. Sie ist der Überzeugung, dass Humor in der Psychotherapie manchmal erst die Möglichkeit gebe, schwierige Dinge anzusprechen. Die negative Wucht emotionaler Erkenntnisse werde nicht in der vollen Wucht gespürt. Dies sei möglicherweise gut so und ermögliche deshalb die Beschäftigung (S.100). Für sie sei es wichtig, humorvolle Bemerkungen der Klienten aufzugreifen statt selber witzig zu sein.

Die Aktiven aus der österreichischen Humor-Bewegung haben nicht nur namhafte, sondern vor allem aussagekräftige Autorinnen und Autoren gewinnen können. Der Sozialwissenschaftler Stephan Marks hat über die Scham geschrieben und die Clownsfiguren mit diesem Phänomen in Verbindung gebracht. Der Clown gebe die Erlaubnis, das zu tun, "was wir uns im Alltag oft selbst versagen, wenn wir in dieser Mühle sind und uns einreden, ich muss perfekt sein" (S. 146).

Selten hört man etwas aus der Humor-Szene in der Alpenrepublik. Ist dann etwas vernehmbar, dann kommen dicke Pfunde. Denn die hochkarätigen Humor-Experten werden über die mehr als 300 Seiten von Clowns-Praktikern begleitet. Sie präsentieren kurze und kurzweilige Einblicke in die eigene Figur und die eigene Choreografie. Viele zeigen sich mit Fotos.

Das Buch "Wenn Dir ein Clown ins Leben tanzt" ist mehr als nur eine Erfrischung. Während der Lektüre hat man oft das Gefühl, das Brausepulver auf der Zunge wecke die Lebensgeister und Lebenskräfte in einem selber. Wunderbar.

Doris Bach / Birgit Rathmaier / Wolfgang Sünder (Hrsg.): Wenn Dir ein Clown ins Leben tanzt - Erkenntnisse aus der Humorforschung, Mandelbaum Berlag, Wien 2017, ISBN 978-3-85476-815-9, 318 Seiten, 24.90 Euro.