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Humorglosse Nr. 10

Autoren: Wolf Schneider

Der Esoteriker in mir

Um das gleich vorweg zu nehmen: Ich bin kein Esoteriker. Igitt, so was, ich finde diese Leute richtig eklig. Die schauen in Kristallkugeln, lassen sich auf Messen die Aura fotografieren und treffen keine wichtige Entscheidung ohne vorher die Tarotkarten zu befragen. Außerdem würde ich als Sternzeichen Löwe mich niemals auf den Auftrag eines Widders einlassen, das kann ja nicht gut gehen. Ich habe dem Schreiben dieser Kolumne nur zugestimmt, weil der Auftrag von einem Fisch kam und zu einem Zeitpunkt, da mein Mondknoten nicht in Opposition zu meinem MC stand.

Außerdem hat meine Mutter schon als Kind zu mir gesagt: Du musst die Oblate essen, egal wie sie schmeckt! Esoteriker tun sowas ja nicht, die glauben nicht an Gott, sondern an Magie und so Zeugs. Wir sind nämlich Katholiken, die essen solche Oblaten. Als unser Pfarrer damals zu mir sagte, das sei Jesu Fleisch, echt Jesu Fleisch und nicht nur ein Symbol davon, da wollte ich das nicht essen. Habs aber dann doch getan. An einem Freitag.

Die Wissenschaft hat die Esoterik längst widerlegt! Wenn dort ein Professor etwas über Esoterik sagt, stimmt das einfach, das merkt man schon am Titel. Das ist nicht anders als bei der Chefvisite im Krankenhaus: Der Chef kennt den Kranken nicht, sieht ihn kaum, und weiß doch alles über ihn die Pflegekräfte kennen ihn gut und wissen doch nichts über ihn. Im Krankenhaus nennt man das aber nicht Telepathie, sondern Positronen-Emissions-Tomographie oder so ähnlich, ich hab mir das nicht so genau merken können. Es war aber nichts Esoterisches, sondern sehr wissenschaftlich.

Weil das eine Glosse ist, die von vielen gelesen wird, will ich jetzt mal ehrlich sein, früher oder später kommt es ja sonst doch raus: Auch ich habe einen Esoteriker in mir! Du auch. Jeder hat den. Die Psychologen sagen nämlich, dass das, was man in anderen bekämpft, dass man das auch selbst in sich hat und nur unterdrückt. Also habe auch ich einen Esoteriker in mir. Ich merke das zum Beispiel daran, dass ich, wenn ich zu viel gegessen habe, dass ich dann rülpsen muss. Das macht so Geräusche, die wissenschaftlich nicht zu erklären sind, höchstens durch das „Gesetz der Resonanz“. Psychologen würde es vielleicht eher „Gesetz der Unterdrückung“ nennen: Ich drücke das zu viele Essen in mich rein, dann kommt es wieder hoch, erst als Luft, dann vielleicht noch materieller. Man kann ja nichts richtig unterdrücken. Alles kommt irgendwann wieder hoch oder später hinten raus.

Dass ich einen Esoteriker in mir habe, merke ich auch an manchen meiner Gedanken. Wenn zum Beispiel etwas schief gelaufen ist und ich dann innerlich fluche, ist das so eine Art innerer Zauber – „maledire“ sagen die Italiener dazu, etwas schlecht sprechen. Das ist dann vermaledeit. Dabei bekomme ich immer Angst, dass denen, die ich da innerlich verflucht habe, obwohl die Sache vielleicht einfach nur blöd gelaufen ist, dass denen dann was zustößt. Ich schneide mir dann lieber selbst in den Finger. Dann bin ich das Opfer und als solches wenigstens nicht schuld.

Bevor ich diese kurze Kolumne bei der Redaktion von HumorCare abgebe, muss ich noch zum Einkaufen. Man soll solche Texte ja immer ein bisschen liegen lassen, oft fällt einem erst beim Nochmallesen ein, was für einen Blödsinn man da geschrieben hat. Bin also einkaufen gegangen. Dabei ist mir ein kleiner schwarzer Hund von links über den Weg gelaufen. Als achtsamer Mensch achte ich auf sowas! Wie wichtig Achtsamkeit ist, haben wir in unserem Pranayama-Yoga-Kurs an der Volkshochschule gelernt. Und ebenso, dass man auch Unterscheidungsvermögen braucht: Ob das eine schwarze Katze war oder ein schwarzer Hund, das macht einen Riesenunterschied! Deshalb gebe ich den Text jetzt ab. Sonst fällt mir vielleicht noch was anderes dazu ein.

Wolf Schneider

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